Atamisqui - eine ganz neue Erfahrung

Der "monte santiagueño".

In den letzten zwei Wochen hatten Joni und ich einen kleinen Tapetenwechsel und haben statt in Santiago, in einer Schule auf dem Land gearbeitet. Jedes Jahr bekommen alle Freiwillige die Möglichkeit, eine gewisse Zeit auf dem Campo zu verbringen, um noch mehr Eindrücke sammeln zu können. Nicole und Simon sind schon im September nach Atamisqui gegangen und haben dort ihre erste Zeit in Argentinien verbracht. Nun waren Jonathan und ich an der Reihe und sind am Montagmorgen früh aufgebrochen, um nach Atamisqui zu fahren, was 100km von Santiago capital entfernt ist. Es ist immer sehr interessant aufs Land zu fahren, da viele Kilometer reines Niemandsland vorzufinden ist, wo man lieber nicht mit dem Auto liegen bleiben will. So liegen zwischen Atamisqui und Santiago nicht viele Ortschaften und kann während der Fahrt die vielen Kakteen, Bäume und Sträucher (oder "monte", so wie es die Einheimischen nennen) bewundern. Oft sieht man auch Tiere, die die Straßen kreuzen, wegen denen man auch manchmal anhalten muss, um einen Zusammenstoß zu verhindern. Nach eineinhalb Stunden kommt man schließlich in Atamisqui, einer 3500-Seelen Stadt, an. Man kann an den Häusern sofort erkennen, dass die Menschen hier nicht so viel Geld wie in der Stadt haben, da es oft nur einfache Häuschen sind, die oft nicht einmal ein Fenster haben. 






Ein leerstehendes heruntergekommenes Haus.

Direkt neben der Kirche ist die Secundaria Juan XXIII, die von einem deutschen Pfarrer gegründet wurde und von der SAED verwaltet wird. Das Besondere an der Schule ist, dass es eine Herberge für die Schüler gibt, wo sie während der Schulzeit übernachten können, da nicht alle Schüler direkt aus Atamisqui kommen. Es gibt Schüler, die bis zu 40km weit von Atamisqui entfernt wohnen und nicht jeden Tag nach Hause zurückkehren können. So haben Joni und ich auch in der Herberge übernachtet und haben den ganzen Tag mit den Schülern verbracht. Morgens waren wir im Unterricht und haben verschiedene Lehrer begleitet.



Zusammen macht das Unterrichten gleich mehr Spaß!

8. Klasse 


Tanzstunde mit den Schülern aus der 10. Klasse.

Für uns ist es sehr interessant, mal in einer anderen Schule zu sein, da wir fast nur unsere eigenen kennen und man dadurch andere Möglichkeiten hat, gewisse Projekte zu machen. So haben Joni und ich eine kleine Lehreinheit vorbereitet, wo wir den Schülern etwas Deutsch beigebracht haben. Diese waren sehr interessiert und haben uns schließlich die restliche Zeit auf Deutsch begrüßt. Unter anderem haben wir auch Punsch in der Schulpause gemacht, da es hier gerade Winter ist und wir der Meinung waren, dass es vielleicht mal eine ganz schöne Abwechslung zum Mate cocido ist, den es sonst oft in den Pausen gibt. Die Schüler probierten fleißig, die meisten jedoch fanden den Punsch sehr komisch, da er etwas nach Zimt geschmeckt hat. Den Lehrern hat die Idee so sehr gefallen, dass wir mit einer Lehrerin auch die "Erwachsenen-Version" - den Glühwein - ausprobiert haben.
Im Gegensatz zum Punsch hat den Schülern der Hefezopf sehr geschmeckt, den wir zusammen mit ihnen an einem Mittag gemacht haben.





Ansonsten verbrachten wir jeden Morgen in verschiedene Klassen, um alle Schüler etwas kennenzulernen. Da wir Anfang Juli hatten probten viele Klassen für den Acto am 9. Juli, was der Unabhängigkeitstag Argentiniens ist. So konnten wir mit den Schülern Chacarera singen, tanzen und uns an verschiedenen Instrumenten, wie dem Charango (kleine Gitarre mit 10 Saiten) und der Quena (Flöte aus Bolivien) ausprobieren, die ein Lehrer mitgebracht hatte, um die Schüler zu begleiten. 




Nach der Schule gingen wir in die Herberge, wo es danach das Mittagessen gab. Es gab nicht viel Varietät im Essen, so wie wir das von der Schulkantine kennen, da das Essen sehr kostengünstig sein muss. So gab es oft Guiso (Fleisch mit Reis oder Nudeln - zusammen in einem Topf gekocht), Polenta oder Albóndigas (frittierte Hackfleischküchle). Das Essen war immer sehr lecker, jedoch hat mir immer ein bisschen das Gemüse gefehlt, dass man regelrecht suchen musste, da die Schüler das Essen sonst nicht essen. Es war sehr traurig, was immer nach dem Essen auf den Tellern liegengeblieben ist, was zum Glück nicht weggeworfen, sondern als Hundefutter verwertet wurde. 


Innenhof mit Brunnen.

Der Speisesaal


Sich mit der Köchin anzufreunden kann nicht schaden.
Hackfleischküchle für 30 Personen - kein Problem

Nach dem Essen mussten die Schüler verschiedene Dienste erledigen, die jede Woche neu zugeteilt wurden. So musste eine Gruppe das Geschirr spülen, die andere den Hof kehren und die andere das Holz hacken, das benötigt wurde, um das Wasser zum Duschen zu erwärmen. Zum Merienda musste dann eine Gruppe Mate cocido zubereiten und das Brot für die Schüler schneiden. Die Herbergsmutter Analia schaute immer, das alle Aufgaben erledigt wurden, wobei wir natürlich auch mitgeholfen haben. Danach hatte man Zeit zur freien Verfügung, was man entweder für eine kurze Siesta oder zum Duschen genutzt hat, da man sich das gut einplanen muss, wenn man mit warmem Wasser duschen muss. Zum Glück kannten wir das mit-Eimer-duschen schon von der Mission im Januar, so war dies kein großes Problem für uns. 






Ansonsten machten wir im Sportunterricht mit, der immer mittags auf dem Sportplatz statt fand. Drei Mal die Woche fand auch das Sonqo kusi (Quichua = fröhliches Herz), eine Nachmittagsbetreuung, für Grundschulkinder, wo der Schulstoff wiederholt und danach gespielt wird. Jonathan und ich halfen immer in der ersten Klasse, wo man einfache Rechenaufgaben mit den Kindern machte. Nach der Spielpause gab es dann für jedes Kind ein heißes Getränk und ein Marmeladenbrot. Viele Kinder bekommen daheim nicht viel zu Essen, da die Familien meist nicht so viel Geld haben und sind sehr froh über das Essen, das sie dort bekommen. Die restlichen Schulsachen, die von meinem Weihnachtskartenprojekt im Dezember mit der Gesamtschule Amtszell übrig geblieben sind, habe ich dann an die Nachmittagsbetreuung gespendet, wo sie sehr gebraucht werden können. Die Schwestern, die Sonqo kusi leiten, haben sich sehr darüber gefreut und waren sehr dankbar dafür.


Merienda mit den Kindern.

Alle Lehrer der Nachmittagsbetreuung, die mehr als 7 Klassen hat.


Nicole und ich mit den Kindern aus Atamisqui bei einem Ausflug.


Die Schüler beim Sportunterricht.

An einem Mittag haben wir auch mit der Herbergsmutter Chacarera getanzt, da sie dies professionell in ihrer Freizeit macht. Damals konnten wir ja nicht ahnen, das diese spontane Aktion so ausarten kann, da wir schließlich dazu gezwungen wurden, beim Acto allein vor allen Menschen zu tanzen.
Abends haben wir oft den Schülern bei den Schulaufgaben geholfen, da die Schüler während unseres Besuches in einer Klausurenphase steckten. Ich half den Schüler in Englisch oder fragte in verschiedenen Fächern den Unterrichtsstoff ab und die Schüler versuchten uns Quichua beizubringen. Quichua wird in Argentinien nur in der Provinz Santiago del Estero, vorallem auf dem Land, gesprochen. Viele Wörter, die wir hier verwenden sind Quichua. So sagen hier viele Leute "chuy" wenn es kalt ist, was die Übersetzung in Quichua für frío (=kalt) ist. Zudem lernten wir auch ein paar Standardsätze, wie "imayna purinki" (Wie geht´s?) und "allillata, qam" (Gut und dir?).
Um 21 Uhr, gab es dann immer Abendessen, was sehr früh für argentinische Verhältnisse ist. Danach konnte man seine Zeit bis 23 Uhr frei gestalten, denn danach war Bettruhe und die Handys mussten abgegeben werden.

Die Schüler der Herberge.

Schlafzimmer.

Die Schüler haben viel Spaß, auf den Dächern herumzuklettern.



Wir kamen sogar in den Genuss, die Sonnenfinsternis bewundern zu können, was man nur auf der Südhalbkugel konnte.


Wir spielten mit den Schülern dann meist Spiele oder gingen etwas früher ins Bett, da man morgens wieder um 6.30 Uhr aufstehen musste, um Mate cocido und Brot zum Frühstück zu essen. Jonathan und ich hatten den Luxus, die Pause im Lehrerzimmer verbringen zu dürfen, was bedeutete, dass wir zweimal frühstücken konnten. So gab es im Lehrerzimmer immer frisches Brot, Butter, Dulce de leche und Kaffee, was von der Gemeinschaftskasse der Lehrer bezahlt wurde. Das war immer das große Highlight am Morgen, worauf wir uns immer sehr gefreut haben.
Nach den zwei Wochen, die wie im Fluge vergangen sind, sind wir schließlich wieder zum Acto nach Atamisqui zurückgekehrt, wo wir zur Überraschung des Publikums, Chacarera getanzt haben. Die Leute haben sich alle sehr gefreut und Jonathan und ich wurden zum beliebten Fotomotiv, da man nicht jeden Tag Deutsche in argentinischen Folklore-Gewändern sieht. Dort konnten wir uns schließlich von den Lehrern und Schülern verabschieden, was sehr traurig war, obwohl man sich erst so kurze Zeit kannte.

Gruppenbild mit allen Lehrern von Atamisqui.

Auch die Schüler haben traditionelle Kleidung an.




Es war eine sehr eindrucksvolle Zeit, die wir hier in Atamisqui erlebt haben, die wir so schnell nicht vergessen werden. Die Menschen haben uns alle gut aufgenommen und mit voller Herzlichkeit empfangen. Es ist sehr interessant, den Unterschied zwischen Stadt und Land zu sehen, da die Menschen hier noch viel gastfreundlicher als in der Stadt sind. Innerhalb von den zwei Wochen haben wir viele Freundschaften geschlossen, die hoffentlich noch eine Weile halten werden. Ich freue mich sehr, dass ich die Möglichkeit bekommen habe, diese Erfahrung zu machen, da dies meine Zeit hier nochmal ein bisschen eindrucksvoller gemacht hat.


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