Die letzten Tage in Santiago



Jeder Jahrgang hinterlässt seine Abdrücke auf der Wand...



Die letzten Wochen in Santiago gingen wie im Flug vorbei, umso trauriger waren wir, als die letzten zwei Wochen in Argentinien vorbeizugehen schienen. Bei einem Gespräch mit unserer Mentorin wurden wir gebeten, für die letzten zwei Wochen nicht mehr in die Schule zu gehen, da man in dieser Zeit mit dem Packen, das Putzen der Wohnung und mit der Verabschiedung von Freunden beschäftigt ist. Am Anfang konnten wir das nicht richtig verstehen, jedoch im Nachhinein konnten wir uns so viel besser von allen Menschen dort verabschieden.

So hatten wir unsere letzten Schultage, die für uns sehr emotional waren. 
Nie hätte ich gedacht, dass mir einmal die Kinder so ans Herz wachsen würden. Meine erste Verabschiedung hatte ich an meiner Grundschule, wo ich die ersten zwei Schulstunden in der ersten Klasse verbrachte. Schon da war es sehr emotional, da die Kinder anfingen, mir Abschiedskarten zu basteln und mich fragten, warum ich denn so traurig sei. Natürlich verstehen die Kinder nicht, wenn man bei einem Abschied so traurig ist und wollen einen trösten, was sehr süß ist. Während die Kinder fleißig bastelten, klopfte es an der Tür und es wurde nach mir verlangt. Ich habe mich sehr gewundert und bin vor die Tür gegangen, wo eine Mutter auf mich wartete. Sie erzählte mir dann, dass ihr Kind im Krankhaus sei und sehr traurig wäre, dass sie sich nicht von mir verabschieden könnte und spielte mir noch eine Sprachnachricht vor und überreichte mir einen Brief, wo die Schülerin mir viel Glück für meinen weiteren Lebensweg wünschte. Ich war so ergriffen, dass ich die ein oder andere Träne verdrücken musste, da man solche Dinge einfach nicht erwartet, da die Mutter extra für mich zur Schule gefahren ist.


In der ersten großen Pause wurde ich von den Kindern gar nicht mehr losgelassen und konnte vor lauter Gruppenumarmungen gar nicht über den Schulhof gehen. Schließlich wurde ich in das Lehrerzimmer gerufen, wo die Lehrer alles dekoriert und Snacks auf den Tisch gestellt haben. Die Schulleiterin und die Lehrer bedankten sich bei mir und wünschten mir eine tolle Zukunft. Schließlich wurde mir ein typischer Poncho geschenkt, was mich sehr ergriffen hatte, da ich mir schon immer einen selbst zulegen wollte, um etwas von der dortigen Kultur mit nach Hause nehmen. Währenddessen sangen alle Lehrer Glückwunschlieder und umarmten mich, was sehr emotional für mich war, da mich die Lehrer bei all meinen Projekten begleitet und unterstützt haben.


Danach folgte die Verabschiedung vor der ganzen Schule, wo sich alle Schüler auf dem Schulhof versammelten. Jede Klasse hatte für mich etwas vorbereitet und mir Briefe und Bilder überreicht. Danach richtete ich auch noch meine Worte an meine Schüler, wo ich mich für die tolle Zeit mit ihnen bedankte und musste anfangen zu weinen, da mich das alles sehr überwältigt hat. Kurz daraufhin rannte ein Schüler zu mir vor und gab mir ein Taschentuch. Natürlich hatte ich auch etwas und habe einen Bilderrahmen mit Bildern und einen selbstbemalten Mate für das Lehrerzimmer gemacht. Bei Schulschluss wurde ich von jedem Kind umarmt und habe noch viel mehr Abschiedsbriefe erhalten. Für mich war es sehr schwer, die Grundschule zu verlassen, da ich mich dort sehr wohl gefühlt habe und jeden Tag so gerne mit den Kindern Zeit verbracht habe. Es war ein sehr schöner Abschied.


So viele Briefe habe ich von den Kindern bekommen!


Zwei Tage später hatte ich meine Verabschiedung in meiner Secundaria, wo mein Tag wie jeder andere begann. Nach dem morgendlichen Gebet durfte ich Vertretungsstunden halten, wo ich ein wenig mit der Abschlussklasse über meine Heimreise geredet habe. Kurz vor Schulschluss haben sich dann alle Schüler auf dem Pausenhof versammelt. Nach der Rede von der Rektorin wurden mir dann meine Abschiedsgeschenke überreicht, wo sich auch jede Klasse etwas für mich überlegt hat. Danach bekam ich noch einige Geschenke von den Lehrern – unter anderem auch ein Wörterbuch der indigenen Sprache Quichua, was mich sehr gefreut hat, da es sehr einzigartig ist. Ich durfte am Schluss sogar die argentinische und die Provinz-Flagge herunterlassen, was eine große Ehre für mich war. Danach gab es noch ein Mittagessen mit den Preceptores, der Rektorin, dem Sekretär, dem Hausmeister und der Bibliothekarin, die während des Jahres zu meiner besten Freundin geworden ist.  Es war eine tolle Zeit, die ich dort in der Schule hatte und der Abschied ist mir sehr schwergefallen.





 Auch in der S.A.E.D., unserer Organisation vor Ort, hatten wir ein Abschiedsessen, zu dem alle Rektoren und Mentoren von uns eingeladen waren. Uns überraschte man mit einer Bilderpräsentation mit Bildern von dem ganzen Jahr und schließlich mit Abschiedsgeschenken.






Die Abschiede in den Schulen waren sehr emotional, jedoch war das noch nicht alles. Langsam konnten wir auch verstehen, warum wir die letzten zwei Wochen nicht in die Schule gehen sollten, da noch viel mehr Abschiede auf uns warteten. Während dem Jahr haben wir so viele Leute kennengelernt, die sich alle mit uns treffen wollten. Da ich in zwei Chören aktiv war, musste ich mich von meinen Chorkollegen verabschieden. Die letzte Stunde des Coro Estable wurde schließlich ganz zufällig an einen anderen Ort verlegt. Dort angekommen wurde ich von meinen Kollegen überrascht, die für mich eine Feier veranstaltet haben. Es gab für alle Pizza a la Parrilla (Pizza auf dem Grill) und es wurde noch bis tief in die Nacht gesungen. Es war ein wunderschöner Abend, den ich so schnell nicht vergessen werde.

Der Acapella-Chor Cantacó hatte eine Woche vor meiner Abreise noch ein Konzert veranstaltet, wo ich das letzte Mal das Solo singen durfte, das ich auch schon davor öfters singen durfte. Am Schluss des Auftritts wurde ich schließlich von meiner Chorleiterin überrascht und es wurde mir ein Mate mit dem Chorlogo überreicht. Zusätzlich hatten mir alle Briefe geschrieben, was mir viel bedeutet, da alle Chormitglieder zu sehr guten Freunden geworden sind.


Meine Stimme - die Contraltos





Um den Abschied von unseren Freunden etwas einfacher zu machen, veranstalteten wir ein typisches Asado und eine Feier in unserem Haus. Man muss dazu sagen, dass wir während dem Jahr schon unzählige Male beim Asado eingeladen waren, jedoch nie selbst eins gemacht hatten. So nahmen wir uns vor, am zweitletzten Tag ein großes Asado (argentinisches Grillen) für unsere engsten Freunde auszurichten. Da gab es nur ein Problem – wir hatten keinen Innenhof und auch keine Parrilla (Grill). Da wir nach dem Jahr Meister der Improvisation geworden sind, fragten wir einfach unsere Nachbarn und Freunde, ob diese eine Parrilla für uns haben. Wir haben schon einige Male beobachtet, wie unsere Nachbar Asado auf dem Gehweg gemacht hat und so versuchten wir das eben auch. Zum Asado braucht man eigentlich nicht viel: eine Parrilla, Kohle, viel Fleisch, Salz und ein Asador (Grillmeister), der das Fleisch für alle zubereitet. Wir sind keine Asado-Profis und so fragten wir einen guten Freund, ob er uns etwas helfen könne. Abends kauften die Jungs dann das Fleisch ein, während Nicole und ich Salate machten (man muss sagen, dass es immer sehr wenig Salat bei Argentiniern gibt).




Verabschiedung von unseren Nachbarn vom Nudelgeschäft.

Das letzte Mal Froilán, das letzte Mal die besten Empanadas....





Es ist immer noch sehr witzig, wie hier das Fleisch einkalkuliert wird, denn der Freund war der Meinung, dass 8 kg Fleisch nicht reichen werde. Trotz alledem fingen wir an und mussten uns schon an die Blicke der Passanten gewöhnen, die am Gehweg an uns vorbeiliefen und uns doof anstarrten, da eigentlich fast niemand Asado auf der Straße macht. Wir hatten sehr viel Spaß und am Schluss hat das Fleisch sogar gereicht. Es war ein sehr emotionaler Abend, da er der Letzte mit unseren besten Freunden war.

Schließlich war der letzte Tag in Santiago da und wir packten unsere letzten Sachen. Schon Tage zuvor fingen wir damit an und räumten unsere Zimmer. Ich konnte mich genau an den Tag erinnern, als ich mein Zimmer bezogen hatte und anfing alles zu dekorieren. Voller Erwartungen und großer Neugier verbrachten wir damals die ersten Tage in unserem neuen zu Hause und hatten eigentlich noch keine Ahnung, was wir noch alles erleben werden. Während dem Jahr haben wir so viele Erfahrungen gemacht, worüber ich sehr dankbar bin.
Als schließlich um 20:00 Uhr unser Abholdienst vor der Türe stand, war es ein sehr trauriger Moment, da wir unser zu Hause verlassen mussten. Da gehen einem viele Dinge durch den Kopf, da man sehr viele Erinnerungen damit verbindet.

Wir fuhren zum Busterminal, stapelten unser Gepäck und warteten auf unseren Bus nach Buenos Aires. Nach und nach trafen immer mehr Freunde von uns ein, um uns zu verabschieden. Es ist ein tolles Gefühl, wenn man merkt, dass so viele Menschen einen ins Herz geschlossen haben. Nach unzähligen Umarmungen, vielen Tränen und kleinen Abschiedsgeschenken, fuhr unser Bus vor und wir mussten uns endgültig verabschieden. Nach vielen Umarmungen stiegen wir ein (der Bus wartet ja nicht) und winkten unseren Freunden. Es war ein sehr trauriger Moment, der kein Auge trocken ließ.


So viele Menschen sind zu unserem Abschied gekommen.



Nach 14 Stunden kamen wir in Buenos Aires an und lernten schließlich unsere Nachfolger kennen, die am selben gelandet sind. Wir genossen unseren letzten Tag in vollen Zügen, vor allem jedoch unsere letzte Zeit zu viert. In einem Jahr wächst man zusammen und kann sich eigentlich gar nicht mehr vorstellen, nicht zusammen zu leben.


Die letzten Stunden in Argentinien gingen wie im Fluge vorbei und die Vorfreude auf die Familie und auf daheim wurde immer größer. Zum Glück hatten wir keine Probleme mit unserem Gepäck, da wir schon unsere Bedenken hatten, da wir so einiges mitgenommen haben. Mehrere Kilos Mate-Tee, Alfajores und sogar ein Kaktus mussten mitgenommen werden, wofür wir einige unserer Kleidungsstücke in Santiago lassen mussten, die wir dort gespendet haben.


Der Obelisk im Zentrum Buenos Aires'.

Pizza essen mit unseren Nachfolgern (fun fact: als wir vor einem Jahr ankamen, haben wir in dem selben Restaurant Pizza gegessen und fanden diese sehr fettig und eklig. Nach einem Jahr haben sich unsere Geschmacksnerven so angepasst, sodass wir die Pizza richtig lecker fanden. - Ob es den Neuen wohl geschmeckt hat?)

Puerto Madero


In Frankfurt angekommen, konnten wir endlich unsere Familien in die Arme nehmen. Wir waren sehr überwältigt, wie viele Menschen auf uns gewartet haben, da sogar unsere Omas und Freunde gekommen sind. Das war eine sehr süße Überraschung, mit der wir nicht gerechnet haben. Als wäre das nicht genug gewesen, haben alle etwas mitgebracht, um auf der Dachterrasse ganz stilecht zu vespern. Es war schön, endlich alle Lieben wiederzusehen und doch war es so, als wäre man nur kurz weggewesen. 


Das am Anfang unbeschriebene Banner ist während dem Jahr sehr voll geworden!



Auch die Omas sind zur Verabschiedung gekommen.

Eine Woche später durften wir die Reverse-Freiwilligen aus Santiago hier in Deutschland begrüßen. Die beiden werden ein Jahr hier leben und in Schulen der Schulstiftung arbeiten.



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